Pistole vor der Nase

Unser Familienurlaub in Argentinien hatte so idyllisch begonnen. Während meine Tochter für einen Tag als Gast die Schulbank drückte, radelte ich mit meiner Frau und meinem Sohn gemütlich durch die Weingebiete rund um Mendoza. Traumwetter. Stille. Einsamkeit.

Doch plötzlich sprangen zwei Männer vor uns auf den Weg (wir waren allein auf weiter Flur), hielten uns eine Pistole vor die Nase – und liefen fünf Minuten später davon, mit drei Smartphones, zwei Kameras, Bargeld, Pass, und, und, und. Ein hässliches und verstörendes Erlebnis, keine Frage.

Warum ich das hier erzähle? Weil ich ungewollt etwas an uns erleben konnte, was ich in meinen Seminaren zur Stressbewältigung lehre, nämlich die zwei Strategien, mit denen unser „System“ auf eine solche Bedrohung reagieren kann. Meine Frau war sofort in Panik geraten, als sie die Situation und die Gefahr darin erkannte. Sie schrie und war außer sich. Ich selbst dagegen war, ohne das irgendwie beeinflussen zu können, die Ruhe selbst. Wirklich tiefenentspannt. Wach. Gelassen. Aufmerksam. Ich fand das selbst unglaublich.

Wie kann das sein? Weshalb reagieren Menschen in ein und derselben Situation völlig entgegengesetzt? Es gibt da einen Schalter im Gehirn, der die Reaktion auf eine akute Bedrohung durch zwei verschiedene Kanäle schicken kann. Möglichkeit 1: Es geht zuerst durchs limbische System, das für Emotionen und Alarmsignale zuständig ist. Das war bei meiner Frau der Fall. Dieser Weg lässt den Körper „hochfahren“, man steht maximal unter Strom. Möglichkeit 2 traf auf meinen Sohn und mich zu: Hier werden alle Eindrücke zuerst ans Großhirn geleitet. So kann man in diesem Augenblick superrational denken und Entscheidungen treffen. Die Emotionen sind dann erst viel später dran.

Ich hätte gerne darauf verzichtet, das alles live und am eigenen Körper zu erleben. Aber interessant war es trotzdem. Zumindest im Nachhinein.

INTERESSE
AN EINEM
EINZEL
COACHING

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