Branchen zu unterscheiden in solche mit hohem und solche mit geringem Veränderungsdruck, scheint mir schon lange überholt. Die vor allem technologiegetriebene Dynamik ist in nahezu allen Märkten längst Alltag geworden – und damit auch der immer größere Veränderungsdruck auf die Unternehmen.
Wie aber schafft es ein „ganz normaler Mittelständler“, mit diesen gewaltigen und immer schnelleren Entwicklungen Schritt zu halten? Und: warum fällt das vielen so schwer?
Auch wenn es wohl kaum jemand so benannt hat: aber über Jahrzehnte wurden Unternehmen in Deutschland mit dem „transaktionalen Führungsverständnis“ gemanaget. Man setzte Ziele, plante deren Umsetzung, entschied, wer was wie wo und wann zu tun hatte, realisierte und kontrollierte – nur um dann, auf Basis dieser Ergebnisse wieder von vorne zu beginnen und neue Ziele zu setzen. Insgesamt war alles direktiv organisiert, es gab Vorgaben und diese galt es mit Disziplin und Leistungsorientierung umzusetzen.
Das „Plus“: durch dieses Vorgehen sind zahllose Unternehmen in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten groß und erfolgreich geworden. Das „Minus“: Es fehlt in diesen Betrieben, deutlich wahrnehmbar, sowohl an Lebendigkeit als auch an Unternehmertum. Und damit fehlen genau die zwei Qualitäten, die für eine Veränderungsfähigkeit so dringend gebraucht werden. Wie sieht es aber bei vielen Mittelständlern aus, die (durch den gerade beschriebenen Führungsstil) jetzt rasante Veränderungen bewältigen müssen?
Meine Beobachtungen: In den so geführten Betrieben arbeiten alle zunehmend angestrengt und gestresst das ab, was ihnen vorgegeben wurde. Sie sind mit immer mehr Selbstdisziplin und immer weniger Motivation am Werk. Und Konflikte, die vor allem der Abgrenzung zu den Nachbarbereichen dienen, nehmen zu. Anstrengung, Disziplin, Grenzen ziehen – Echte Lebendigkeit sieht anders aus.
Gleichzeitig ist zu beobachten, wie die Bereitschaft nachlässt, wirklich Verantwortung zu übernehmen. Sie wird oft als „Schwarzer Peter“ empfunden und möglichst schnell zum Nächsten weitergereicht. Entscheidungen werden viel zu spät getroffen – dafür immer mit einer „guten“ Begründung, warum das so sein musste. Und Konsequenz in der Umsetzung ist leider auch immer wieder Fehlanzeige. Der beliebteste Selbstbetrug hier lautet: „Der Alltag hat uns eingeholt“. Keine Verantwortung, keine Entscheidungen, keine Konsequenz – Echtes Unternehmertum geht anders.
All das macht deutlich: so kann es nicht weiter gehen. Immer mehr vom selben Führungsstil, wird immer mehr von den beschriebenen Nachteilen schaffen – und damit das Gegenteil dessen, was ein Unternehmen braucht, wenn es sich erfolgreich am Markt behaupten will. Es wird offensichtlich: es bedarf einer neuen Führung. Einer, die Führungskräfte und Mitarbeiter in ein Lebendiges Unternehmertum führt, und damit die Voraussetzung für nachhaltigen Erfolg in einer extrem dynamischen Welt schafft.
Seit einigen Jahren wird dieser Führungsstil „transformationale Führung“ genannt. Führung ist hier nicht mehr nur das Management von Zielen und Prozessen. Führung bedeutet hier einen – ich sag’ es bewusst erst auf Deutsch – Führer an der Spitze zu haben (neudeutsch: Leader), der eine klare und attraktive Vision für sein Unternehmen hat. Er inspiriert seine Mitarbeiter, regt sie intellektuell an, ist in seiner Kommunikation und Verhalten Vorbild und er unterstützt sie individuell. Er schafft offene und transparente Meinungsaustausche. Und er trifft Entscheidungen, in denen sich die Blickwinkel der Mitarbeiter wiederfinden, ohne dass die Führungskraft ihre Ziele aus den Augen verliert. Und schließlich bedarf es Vertrauen in die Mitarbeiter – wofür die erste Voraussetzung natürlich das Vertrauen in sich selbst ist.
Ein solcher Veränderungsprozess in der Führung beginnt – eigentlich logisch – bei der obersten Führungskraft. Die Transformation im Denken und im Miteinander dauert seine Zeit. Wer dran bleibt, wird garantiert belohnt, denn die Wirksamkeit der transformationalen Führung ist empirisch vielfach nachgewiesen worden. Bitte nicht anstatt des bisherigen Managements, sondern als dessen Ergänzung. Als Faustregel gilt: es braucht das nötige Mindestmaß an Management und das maximal mögliche an transformationaler Führung.
Das lohnenswerte „Zwischenergebnis“ wird spürbar, zuerst in der Lebendigkeit des ganzen Unternehmens: Die Menschen sind in ihre Kraft gekommen (etwas völlig anderes als Anstrengung). Sie sind nicht nur „motiviert“ unterwegs, sondern haben richtig Spaß an der Arbeit. Und sie haben gelernt, ihre verschiedenen Sichtweisen konstruktiv aufeinander treffen zu lassen, anstatt regelmäßig nur Sieger und Verlierer zu produzieren.
Infolgedessen wird die Transformation dann sichtbar im Unternehmertum aller: Ja, die Menschen übernehmen wieder Verantwortung, weil sie sich mit den Aufgaben, deren Sinn sie durch die Vision erkannt haben, identifizieren können. Sie treffen – im vorgegebenen Rahmen – selbst die anstehenden Entscheidungen. Und sie bleiben am Ball, setzen um, und lassen auch bei Gegenwind und Widerständen nicht nach, bevor sie das Ziel erreicht haben.
Das „Endergebnis“ ist reichhaltiger Lohn: ein Unternehmen, das gelernt hat, den dynamischen Umbrüchen schnell und qualitativ hochwertig zu begegnen. Und das sich über steigende Deckungsbeiträge und Bilanzgewinn freuen kann.